Seit 60 Jahren und vier Generationen geht es mit der Münchner Firma aufwärts:
Die Tost GmbH stellt Ausrüstungsteile für Sport- und Segelflugzeuge sowie Hubschrauber her.

 

Es müssen glückliche Menschen sein, die ihr Hobby zum Beruf gemacht haben. Barbara Dörflein lacht zustimmend, deutet aber gleichzeitig eine abwehrende Handbewegung an. "Das Geschäft spannt mich so sehr ein, dass ich kaum zum Fliegen komme", sagt sie. Das Hobby muss eben hinten anstehen, wenn man ein Unternehmen führt, dass zwölf Mitarbeiter beschäftigt und jährlich 1,3 Millionen Euro umsetzt.

Vor genau 60 Jahren wurde der Grundstein für die heutige Tost Flugzeuggerätebau in München gelegt. Bereits drei Monate nach Kriegsende errichtete Dörfleins Großvater Richard Tost eine Schlosserei. Der Installateur, Schlosser und Spengler, der als Flüchtling nach
München kam, half beim Aufbau des Landes, wo er nur konnte. Doch die Verletzungen aus dem Krieg setzten dem Pionier zu, 1949 verstarb er 50-Jährig. Das Unternehmen ging an seine Kinder Anneliese Fenzl und Hans Tost über. Für sie war es selbstverständlich, den elterlichen Betrieb fortzuführen, doch ihre Leidenschaft trieb sie an, das Unternehmen neu auszurichten. 

                                  

Barbara Dörflein mit Sohn Michael

Es war die Leidenschaft zum Fliegen. Seit 1950 kreisten die beiden mit Segelflugzeugen durch die Lüfte, anfangs in Österreich, weil die Fliegerei in Deutschland noch verboten war. Als dann aber im Jahr 1951 der Segelflugsport auch hier zu Lande wieder zugelassen wurde, gab es sowohl für das Hobby als auch für die Expansion des Unternehmens kein Halten mehr. Denn die ersten Segelflieger mussten ihren Spaß am Sport häufig mit ihrem Leben bezahlen. "Die damals verwendeten Kupplungen waren für Segelflugzeuge nicht geeignet", erzählt Dörflein. "Sie trennten die Seilverbindung nicht rechtzeitig, schleppten die Piloten also in den Tod hinein." Der Bedarf an sicheren Flugzeugteilen war enorm, daher musste alles ganz schnell gehen. Fenzl und Tost entwickelten innerhalb weniger Wochen spezielle Kupplungen, produzierten sie und nannten die Firma kurz später in "Tost Flugzeuggerätebau München" um. Damit waren die Weichen für die Zukunft gestellt. Seither konzentriert sich das Familienunternehmen auf die Herstellung und den Vertrieb von Ausrüstungsgegenständen, die den Betrieb von Segel- und Sportflugzeugen sowie Hubschraubern sicherer machen. Neben der besagten Kupplung, von der heute mehr als 60.000 in der ganzen Welt im Dauereinsatz sind, produzieren die Münchner etwa 1.000 weitere Teile von A wie Abseilsicherung bis Z wie Zwischenseil. Zu den Kunden des Münchner Unternehmens zählen sowohl Hersteller von Sport- und Segelflugzeugen, die die Ausrüstungsgegenstände in ihre Fluggeräte einbauen, als auch Privatpersonen, die eigene Maschinen besitzen, und daher Bedarf an Ersatzteilen haben. Daneben gehören die Feuerwehr oder die Polizeihubschrauberstaffel zu den Abnehmern. Sie ordern Rettungskörbe, Abseilgeräte und andere Gegenstände, die der Sicherheit der Mannschaften während der Hubschrauber-Einsätze dienen.


Barbara Dörflein spricht überhaupt gerne und ausführlich über das Thema Sicherheit. Dass "Tost und das Prädikat zuverlässig" eng miteinander verbunden seien, was auch die Zertifizierung durch die europäische Agentur für Flugsicherheit "EASA" dokumentiere. Dass man ausschließlich in München produziere, obwohl das teurer sei, als beispielsweise in Osteuropa fertigen zu lassen. Man müsse den Kunden eben erklären, dass die Preise zwar höher, die Produkte dafür aber "erprobt und sicher" seien. "Halten sie sich nur die Flugzeugabstürze der vergangenen Wochen vor Augen. Da sieht man, was passiert, wenn am falschen Ende gespart wird", sagt die Firmenchefin. "Gerade in der Fliegerei zahlt sich Qualität aus. Im besten Fall lebt man länger", so Dörflein.


Ihr Plädoyer für Qualität und Sicherheit kommt nicht von ungefähr. Schließlich geht es ihr darum, für Produkte "made in Germany" auch ein gewisses Preisniveau durchzusetzen. Doch das ist nicht immer leicht für ein Unternehmen, dass seine Produkte weltweit vertreibt und rund 50 Prozent seiner Umsätze mit dem Export ins Ausland erwirtschaftet - zumal Ausland in erster Linie Osteuropa bedeutet. Denn in Polen, Tschechien, der Slowakei oder Litauen, wo die Segelflugzeugindustrie traditionell groß ist und die besten Piloten der Welt zu Hause sind, entwickelt sich der Markt rasant; die dortigen Hersteller machen den deutschen Jahr für Jahr Marktanteile streitig, weil sie Segelflugzeuge schon ab 40.000 Euro anbieten, während hiesige Hersteller 50.000 bis 150.000 Euro verlangen. Dass dieses Preisgefälle die Kunden aus der ganzen Welt zu den besagten Herstellern treibt, ist dabei fast zu vernachlässigen. Die Dörfleins profitieren so    oder so, denn die Räder, Reifen und Sicherheitskupplungen der Münchner werden sowohl in die deutsche "DG 300" als auch in die litauische "Lak 17" eingebaut. Problematisch ist allerdings, dass die osteuropäischen Hersteller auch die Preise ihrer Lieferanten drücken. Wenn man zudem bedenkt, dass es weltweit nur etwa 16 namhafte Hersteller von Segelflugzeugen gibt, wird deutlich, wie wichtig jeder Kunde ist und was der Verlust eines Auftraggebers bedeuten würde. Man muss schauen, dass man mit den Kosten zurechtkommt", kommentiert Dörflein die Situation - schiebt die Antwort allerdings gleich hinterher. "Wir investieren gerade große Summen in die Modernisierung unserer Produktion." In wenigen Wochen werden neue Maschinen in Betrieb genommen, mit deren Hilfe die Produkte schneller und effizienter gefertigt werden können. Außerdem will sich das Unternehmen stärker auf die Produktion von Ausrüstungsgegenständen für Ultraleichtflugzeuge konzentrieren. "Utraleichtflugzeuge verdrängen die klassischen Motorsportflugzeuge nämlich mehr und mehr", so die Geschäftsführerin. Die Fokussierung auf diesen Zweig wird aber auch eine noch intensivere Zusammenarbeit mit osteuropäischen Herstellern nach sich ziehen, da diese 70 bis 80 Prozent aller Ultraleichtflieger produzieren. Eine Verlagerung der eigenen Fertigung ins Ausland kommt für die Münchner dagegen

nicht in Frage. Wieder argumentiert Dörflein mit ihrem Anspruch an höchste Qualität. "Selbst unsere Zulieferer sitzen alle in Deutschland oder zumindest in Europa", sagt sie. Daneben spricht die Chefin von "sozialer Verantwortung", wenn sie erklärt, warum das Werk in München bestehen bleiben soll.
Bislang ist die Strategie der bayerischen Firma aufgegangen. "Wir schreiben jedes Jahr schwarze Zahlen", verkündet die passionierte Fliegerin stolz. Für die Zukunft sieht sich das Familienunternehmen ebenfalls gut gerüstet. Einer der beiden Nachfolger, Sohn Michael Dörflein, arbeitet schon seit Jahren im Betrieb mit, als zweiter Geschäftsführer. Tochter Susanne Dupont wird Ende des Jahres ebenfalls als Geschäftsführerin ins Unternehmen eintreten. Mutter Barbara wird sich dann allmählich zurückziehen, "aber erst, wenn ich alles Wissen, das in meinem Kopf ist, weitergegeben habe". Ihre Pläne für die Zeit danach sind nicht schwer zu erraten. Sie wird sich mehr ihrem Hobby widmen, für das sie wegen ihres Berufes so wenig Zeit hatte. Sie wird sich in ihr Segelflugzeug setzen, abheben und schweben. Nicht wie bisher, über Bayern und Osterreich. Sondern über Südafrika, Australien, Neuseeland oder Kanada, wo die Großwetterlage es zulässt, 1.500 Kilometer am Stück zu fliegen. Es müssen glückliche Menschen sein, die solch ein Hobby haben. Barbara Dörflein lächelt zustimmend. 

SABINE HOLPER